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Christian Weikusat

Als ich Diktator von Frankreich war

Neulich wurde ich zum Diktator von Frankreich gekürt, eine weise Entscheidung sicherlich, und ich zog in den Elysée-Palast und warf als erstes alle überflüssigen Möbelstücke, Adjutanten, Minister, Sekretäre, Schreibmaschinen, Gemälde, Schleimer und Arschkriecher aus den Fenstern. Bei einigen der hässlichen alten Sofas musste ich die Kettensäge zur Hand nehmen und die unhandlichen Unbequemlichkeiten in Stücke sägen, damit sie ohne Beschädigungen zu erleiden durch die kleinen Dachfenster passten.

Sodann ließ ich in die nun leergewordenen Zimmerfluten dicke Teppiche legen und die Zimmer darauf mit Telefonen versehen, jedes in der Farbe des entsprechenden Teppichs. Um die Homogenität der Innendekoration zu wahren, bestellte ich eine Malerkolonne, die jeden Raum passend zur Telefon- und Teppichfarbe anmalte.

Als ich es mir auf diese Weise wohnlich gemacht hatte, beschloss ich, die Regierungsgeschäfte aufzunehmen.

Ich begab mich also in mein Büro und nahm blind einen Anruf von einem der zahlreichen blinkenden und läutenden Telefone auf meinem Schreibtisch entgegen.

Ich sprach mit meinem Landwirtschaftsminister, der mir, völlig außer sich, mitteilte, dass die Bauern und Fischer wieder einmal mit aller Heftigkeit gegen Fang- und Schlachtquoten, Produktionsvorschriften, Subventionsabbau, freie Preise und die Einführung der Marktwirtschaft im agrikulturellen Bereich protestierten.
Ich schaute aus dem Fenster, und tatsächlich, da standen sie!

Rechtschaffene Landwirte in dungbespritzten Gummistiefeln und wettergegerbte Seebären, die den Duft von Freiheit, Meer und Tonnen von Fischen verströmten randalierten einträchtig vor meinem Palast und schwenkten Transparente wie "Wir wollen weiterhin Milliarden für unsere unbrauchbare Überproduktion bekommen" oder "Absatzgarantien sind Menschenrechte" oder auch "Stoppt preiswerte Importe die die Überfischung der Nordsee verhindern".

Offenbar hatte diesen engstirnigen Idioten, die grölend um Traktoren und brennende Importlaster tanzten, noch niemand gesagt, das ich jetzt der Diktator von Frankreich war.

Ich fühlte, wie mich der Zorn zu übermannen versuchte, aber ich ließ ihn nicht. Stattdessen griff ich den Hörer des schwarzen Exekutivtelefons und wählte die Nummer der Armee, deren alleiniger Oberbefehlshaber ich selbstverständlich war.

Sofort wurde das ganze Land in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt, Paris hermetisch abgeriegelt, der Platz mit den Demonstranten von Panzern umzingelt und auf allen Dächern und hinter allen Büschen gingen sofort die besten Scharfschützen meiner persönlichen Elitetruppe in Stellung.

Um das Protokoll zu wahren öffnete ich meine Privat-Defensiv-Truhe, entnahm ihr ein kleines Luftgewehr, positionierte mich am eigens und eigenhändig geöffneten Fenster und feuerte einen Warnschuss über die Köpfe der tobenden, brüllenden, grölenden Menge hinweg.

Da der Pöbel diese Warnung ignorierte, sah ich mich gezwungen, das rote Befehl-zur-Extermination-größerer-Menschenmassen-Telefon zu benutzen und den Befehl zur Vernichtung der Demonstranten zu geben.

Die Geschütztürme der Panzer richteten sich auf die Mitte des vollbesetzten Platzes und dann donnerten die Kanonen und Feuer leckte aus ihren Mündungen. Exakt über der geometrischen Mitte des Platzes trafen die Projektile aus allen Richtungen aufeinander und verglühten in einer gewaltigen Explosion, die im Umkreis von 10 Metern alle Demonstranten zu Asche verbrannte und eine Druckwelle erzeugte, die den gesamten Platz sofort in ein Chaos aus Gefallenen, Zerfetzten und Verletzten verwandelte und die Unversehrten wie Dominosteine übereinander warf.

Verwirrt richteten sich die Menschen, offenbar unfähig die volle Bedeutung des Vorgangs zu erfassen und deshalb an einen Unfall (zwar tragisch, aber nicht außergewöhnlich) glaubend, wieder auf, erhoben die Transparente, die noch kein Raub der Flammen geworden waren, erneut und fuhren fort, zu demonstrieren, nur mit dem Unterschied, dass in der Mitte, wo ein 15 Meter tiefer Krater den Platz schmückte, niemand mehr tanzte.

Die hervorragend ausgebildeten Elite-Deletionstruppen leiteten den zweiten Teil der Aktion ein. Auf den Kettenfahrzeugen wurden die großkalibrigen Maschinengewehre ausgerichtet, und wie auf ein göttliches Zeichen hin ratterten die Garben synchron über das Schlachtfeld und mähten alles nieder, was aufrecht stand.

Nun traten die Scharfschützen in Aktion, erkannten mit unerbittlicher Präzision die Ohnmächtigen und Gerissenen, die bewegungslos am Boden zwischen all dem Blut, den herausgequollenen Gedärmen und den abgerissenen Extremitäten verharrten, und die Projektile fanden treffsicher ihr Ziel und verspritzten noch mehr Blut und hier und da auch schmutzig-graue Gehirnmasse.

Noch während von draußen das Krachen der Gewehre und die Schreie der Entdeckten in mein Fenster drangen, griff ich zum grünen Abfallbeseitigungstelefon und orderte das Mobile-Kremations-Kommando.

Kaum war der Platz von allen Lebenszeichen gesäubert, nahmen die wackeren Männer des MKK in ihren Asbestanzügen und den Flammenwerfern auf dem Rücken ihre Arbeit auf. Binnen Sekunden war der ganze Platz ein flammendes Inferno und die meterhohen Leichenhaufen brannten wie lustige Martinsfeuer.

Die extrem heissbrennenden Magnesiumverbindungen leisteten gute Arbeit, so dass ich schon nach wenigen Minuten über das blaue Restaurationstelefon die Einheit-zur-Wiederherstellung-vom-Militär-zerstörter-Stadtplätze herbeordern konnte.

Durch mein nahtloses Präzisionstiming traf die Einheit zeitgleich mit dem Erlöschen der letzten Flammen ein und sofort begannen die Planierraupen die Asche gleichmäßig auf dem Platz zu verteilen. Ein gewaltiger Tanklaster flutete den Zentralkrater mit schnelltrocknendem Zement, Dampfwalzen walzten dampfend und die Asche feststampfend über den Platz und ein Bataillon von Teer-Maschinen legte eine neue Straßendecke, die dann mit flüssigem Stickstoff schnellgekühlt und von Strassenmarkierungsfahrzeugen mit den erforderlichen Streifen und Markierungen versehen wurde.

So schnell wie die Einheit arbeitete zog sie auch wieder ab, und ich genoss die frische Luft und die zarten Sonnenstrahlen, die in der kühlen Stille auf dem makellosen Asphalt spielten.